Stille am Kanal

"Was machen die denn da?" Eine Mutter mit ihren zwei Kindern konnte die Nummer vor ihr erst einmal nicht einordnen. Vor der kleinen Familie tanzten, saßen und verrenkten sich erwachsene Menschen auf der Wildenbruchbrücke zu den Klängen einer Trommel und eines Saxophons. Alles so dezent, dass es auch im normalen Alltag hätte stattfinden können. Aber nur fast, denn da waren die mal mehr oder weniger dramatischen, manchmal schrägen Bewegungen, die den Passanten klar machten, dass hier Kunst läuft. Der Jazz-Musiker und Anwohner Wieland Möller hatte eigens für die diesjährigen 48 Stunden Neukölln die Performance organisiert. Beteiligt waren internationale Performer*innen und Tänzer*innen, die zurzeit in Berlin wohnen.

Die Choreografie wurde von allen zusammen entwickelt, manches war festgelegt, vieles wurde improvisiert. Wieland Möller hat den theoretischen Rahmen vorgegeben. "Körper, die aus Individuen bestehen und in einer Gruppenaktion zusammenkommen, werden eingeladen, soziale Architektur und psychosomatische Erkundungen als Lärmschutzwände, als Schutz und als Weg zu schaffen", so sein Ankündigungstext. Auch wenn den meisten der zufälligen Zuschauer*innen die Gedanken hinter den Bewegungen und Klängen wohl unbekannt waren und blieben, viele der theoretischen Ansprüche kamen in der Praxis an: So entstand, wie ebenfalls im Programm zu lesen war, "Stille und […] Öffnungen in einer Stadt als bewegliches Ziel auf der Suche nach dem Vertrauten, einem Gefühl der Ruhe, der Einsamkeit inmitten der Massen oder einem Moment, in dem wir uns auf die Gegenwart konzentrieren." Die meditative Musik und das unkoordinierte, irgendwie aber zusammenhängende Miteinander der Künstler*innen entwickelte einen Sog, der die Zuschauer*innen in eine parallele Welt führte, während wie gewohnt auf der Wildenbruchbrücke der Auto- und Fahrradverkehr vorbeifloss. Negative Reaktionen habe es keine gegeben, im Gegenteil, "es gab sogar Autofahrer, die in ihrem Auto mittanzten", erzählt Wieland Möller. Manche der Ideen hätten hingegen nicht funktioniert: So habe man geplant, aus dem Müll, der auf der Brücke liegt, kleine Skulpturen zu bauen, "aber anscheinend hat die BSR vorher aufgeräumt."

Das Tolle an der Performance sei, so Wieland, dass man raus gehe und die Kunst zu den Leuten bringe, nicht umgekehrt. Somit habe die Aktion auch gut zum Konzept des Quartiersmanagements gepasst, den Kiez mit künstlerischen Aktionen zu bereichern. "Ich war froh, als damals das Quartiersmanagement in den Kiez kam und wollte schon immer mal hier etwas machen." Gefördert wurde die Performance aus dem Aktionsfonds des QMs.